viel dahinter

Eigentlich könnte es auch ein ganz normales Altstadt-Wohnhaus sein. Nur die zwei Tore zeigen, dass sich dahinter etwas verbirgt. Feuerwehrautos? Eine kleine Autowerkstatt? Ein Fuhrunternehmen? Viel mehr! Hinter dem Betriebsgebäude Oberstraße 11 in Aachen mit seinen zwei Toren verbarg sich eine rund 150 Meter lange, zweigeschossige Wagenhalle mit zehn Gleisen. Da die parallele Scheibenstraße abschüssig ist, wurde die Halle teilweise zweigeschossig ausgeführt. Der von der Hein-Janssen-Straße angefahrene ‚Güterkeller‘ verfügte über sechs weitere Gleise.

Die Klemmbaustein-Umsetzung des Themas ‚Aachener Straßenbahn‘ beschäftigt mich in den vergangenen zwei Jahren intensiver. Angefangen hat es mit der ‚Buttertram‘. Für die Fanwelt im November habe ich neben den Fahrzeugen auch einige Gebäude nach Aachener Vorbild im Modell umgesetzt. Besonders angetan hat es mir das Depot Oberstraße. Eine von drei Wagenhallen, die bis zum Ende der Tram 1974, zwischen Adalbertsteinweg und Jülicher Straße angesiedelt waren.

Die Betriebsanlagen um 1930
Grafik: ASEAG Archiv

Tram Aachen
„Tram Aachen“ von Ronald G.

Betriebsgebäude und Wagenhalle um 1930
Foto: Sammlung ASEAG Archiv
nicht datiert, nach dem 2. Weltkrieg
Umfassende Veränderungen im Dachbereich, aber auch bei den Fenstern im ersten Obergeschoss.
Foto: Sammlung ASEAG Archiv

Neben einigen wenigen Fotos aus der einschlägigen Literatur sowie bei Fotohostern konnte ich aus dem Archiv der ASEAG einige tolle Aufnahmen erhalten. Danke Martina! Für mich waren die Fotos vom Abbruch besonders wertvoll, denn dadurch konnte vorher von der Halle verdeckte Rückseite besonders gut dargestellt werden.

Das umgesetzte Betriebsgebäude wurde den Fotos im Laufe der Zeit im Dachstuhlbereich verändert. Wohl eine Beschädigung im zweiten Weltkrieg.

In der Halle entstanden – zumindest dem Veröffentlichten nach – mehr Fotos als von der Fassade.

Aachener Straßenbahndepotgeheimnisse
Aachener Straßenbahndepotgeheimnisse von Arthur Staal
mit Schleifwagen TSS1, Pferdebahnwagen 70, Schweißgerätewagen TSG7 sowie angeschnitten der Gelenkwagen 1110 ex Oberhausen ex Rheydt.
Nach dem Ende des Straßenbahnverkehrs 1974 wurden Halle und Betriebsgebäude Ende 1982 abgerissen. Heute steht dort Wohnbebauung. Daran, dass sich in dem Viertel die Keimzelle Aachener Elektromobilität befunden hat, erinnert kaum noch etwas. Immerhin befindet sich in der Oberstraße ein kleines Denkmal, dass an die Öcher Tram erinnert.
Denkmal in der Oberstraße
Innerhalb von 14 Tagen habe ich zunächst die Fassade Stockwerk für Stockwerk hochgezogen. Die Abmessungen wurden anhand der Fensterteilung im ersten Stockwerk festgelegt. Die Proportionen passten sowohl zum Maßstab, als auch zu den Abmessungen der verfügbaren Fenster. Ein Glücksfall. Auch wenn das Gebäude recht schnell ’stand‘, dauerte es doch noch bis alle Details stimmig waren. Bis zur Fertigstellung sind dann doch gut sechs Wochen vergangen. In der allerdings noch ein weiteres Gebäude und einige Fahrzeuge entstanden sind.

Das Gebäude war ungefähr 20,5 Meter breit. Aus dem annähend rechtwinklig aufgenommenen Foto der Gebäuderückseite kann man die Proportionen sehr gut abschätzen (b=48,8 cm, 61 Steine h=50,9cm = 53 Steine). Die im Modell imposante erscheinende Höhe ist somit vorbildgerecht.

Abriss der Anlagen in der Oberstraße im Oktober 1982
Interessant das Nachbarhaus. Bis zum Ende des Hallendachs weiß gestrichen. Die Grenzen zwischen den Gebäuden sind gut zu erkennen, da zur Vorbereitung des finalen Abbruchs die beiden Gebäude bereits voneinander getrennt wurden.
Foto: Sammlung ASEAG Archiv

Auch bei den Fenstern der Rückseite handelt es sich um richtiges LEGO®. Allerdings nicht aus Billund, sondern aus Italien. Dort wurden die Klemmbausteine in den 70ern als LEGO® Minitalia® vertrieben. Besonders sind die schnöen Sprossenfenster 604mi und 3853mi, die sich angesichs des Vorbild geradezu aufdrängten.

Abriss der Anlagen in der Oberstraße im Oktober 1982
Foto: Sammlung ASEAG Archiv
Ehrensache, dass sich die Tore öffnen lassen. An der Fassade befinden sich zwei abziehbare Zahnräder, über die mittels Zahnstange und Liftarm die Tore bedient werden können.
Die Tore lassen sich öffnen.

Foto: Sammlung ASEAG Archiv
Auch das Nachbargebäude Oberstraße 9 wurde umgesetzt. Dieses existiert, äußerlich leicht modernisiert, noch heute. Die Halle stützte sich auch an der Rückseite dieses Hauses ab.
Haus Oberstraße 9 heute


Ab 2:05 ist die Wagenhalle zu sehen, ab 2:53 die Ausfahrt eines Großraumwagens aus dem Betriebsgebäude.

Aktuell besteht – mal wieder – die Chance, in und um Aachen innerstädtischen, elektrischen, schienenegebundenen Nahverkehr zu betreiben. Am 27.09.2018 hat der Städteregionsrat beschlossen, unter dem Arbeitstitel „Regio-Tram“ Planungen für eine Überlandtram zwischen Baesweiler und Aachen auf den Weg zu bringen. Damit wird der dritte Anlauf genommen, in und um Aachen die lange überfällige Wiedereinführung der Straßenbahn aufzunehmen. Aller guten Dinge sind drei!

Unlängst ist bei Tram-TV eine DVD erschienen, in der der „Öcher Tram“ ein würdiges Denkmal gesetzt wird. Auch wenn die ‚Oberstraße‘ im Film nicht vorkommt hat mir der Film sehr viel Emotionen geweckt. Das Filmmaterial ist fantastisch. Bei der Digitalisierung der historischen Werke wurde wohl ziemlich nah an die Grenze des technisch machbaren gegangen.